Die hießen "Drehdose, oder Drehmusikdose oder Musikdose, umgangssprachlich Klimpermühle. Auf jeden Fall habe ich 1965 meinen beiden kleinen Brüdern zu Weihnachten je eine Drehdose geschenkt und auch als solches gekauft. Ich weiß es deshalb ziemlich genau, weil ich dafür extra von Berlin-Marienfelde nach Berlin-Lankwitzkirche gefahren bin, weil es dort ein Kaufhaus gab (Woolworth). Es war das erste Mal, dass ich so weit alleine unterwegs war.
Einen ganzen Monat hatte ich den wöchentlich erscheinenden Pohlezettel ausgetragen (Verdienst zwischen 7 bis 9 DM im Monat) und vom letzten Monat hatte ich auch noch ein bisschen Geld (Ich musste zu Hause immer das Geld abliefern, sonst hätte das Wirtschaftsgeld nicht gereicht und bekam dann 2 DM davon als Taschengeld, manchmal auch weniger, wenn die Leute knausrig mit Trinkgeld waren). Diesmal durfte ich das gesamte Dezembergeld behalten, meine Mutter hatte in ihrer Firma Weihnachtsgeld bekommen.
Ich hatte also etwa 10 DM (wovon allerdings noch Fahrgeld bezahlt werden musste). Irre viel Geld - in meiner Vorstellung auf der Hinfahrt konnte ich mit soviel Geld ganz Woolworth leerkaufen. Also auf zum Großeinkauf Weihnachtsgeschenke für meine Mutter und meine Brüder. Nach 1,5 Stunden Fahrtzeit mit Umsteigen bei Woolworth in der harten Realität angekommen - gut, meiner Mutter konnte ich auch was zu Weihnachten basteln. Aber meine Brüder?
Eigentlich wollte ich meinen Brüdern (damals 4 und 1,5 Jahre) einen Brummkreisel schenken. Bei Woolworth stellte ich fest, dass mein Geld nicht mal für einen reichte und ich brach in Tränen aus. Plärrend wollte ich wieder das Kaufhaus verlassen, als mich eine Verkäuferin ansprach, mich Heulsuse in ein Gespräch verwickelte und mit mir schließlich an der Hand zurück zur Spielwarenabteilung ging. Dort "zauberte" sie diese Drehdosen hervor.
Zuerst war ich etwas enttäuscht, waren ja keine Brummkreisel, aber als sie dann die Melodie spielte, war ich doch begeistert. Mein Geld glaube ich reichte nicht ganz, da ich noch Rückfahrgeld brauchte. Auf jeden Fall gab ich ihr das gesamte Geld bis auf das Fahrgeld und dann zog sie mit mir los, verpackte die zwei Drehdosen einzeln in superschönes Weihnachtspapier, große Schleife und zwei kleine Anhänger, auf die ich die Namen meiner Brüder raufschreiben durfte. So verpackt sahen meine Geschenke aus, als hätte ich sie in einem der noblen Spielwarengeschäfte am Kudamm gekauft.
Es fuhr ein sehr glückliches Mädchen nach Hause und konnte nun kaum noch bis Weihnachten warten. Mein älterer Bruder hat seine Drehdose immer noch. Er kann sich eigentlich nicht mehr an das Weihnachtsfest erinnern, nur an das stolze und strahlende Gesicht, als ihm seine große Schwester sein Geschenk gab."